Abstract
Zusammenfassung
Die sechs Hauptteile der vorliegenden Abhandlung bieten eine Darstellung von Ricœurs hermeneutischer Theorie der Reflexion, des Seins, des Handelns und der Religion. Das durchgängige Thema bildet das Verhältnis von Subjektivität und Ontologie, das in dieser Untersuchung wie auch von Ricœur selbst im theologisch-philosophischen Grenzbereich behandelt wird.
Die Abhandlung betont in Ricœurs Ontologie den von ihm in seinen Aristoteles- und Heideggerinterpretationen formulierten Zusammenhang von Möglichkeit und Wirklichkeit. Diese Ontologie des Selbstseins hat zwei Zentren: das Sein als Handeln bzw. das Sein als Sein. Im Rahmen dieser Ontologie wird die Theorie des Selbst, der Intersubjektivität und Alterität entfaltet als eine polythetische Reflexion, die am deutschen Idealismus, und zwar insbesondere an Hegels Idee der Vermittlung des Selbstbewusstsein durch sein Anderes als eine „vielseitige und vieldeutige Verschränkung" anknüpft.
Der einleitende Hauptteil präsentiert Ricœurs hermeneutische Reflexionstheorie im Zusammenhang aktueller Infragestellungen der Reflexion. Im folgenden Hauptteil wird dementsprechend die neoidealistische Bewusstseinstheorie D. Henrichs und M. Franks erörtert, deren These vom Selbstbewusstsein als einer unmittelbaren Selbstvertrautheit Ricœurs These vom Selbst als einer mannigfaltigen Synthese im Spielraum zwischen Negativität und Urbejahung gegenübergestellt wird. Diese Diskussion leitet im dritten Hauptteil zu einer textnahen Besprechung von Ricœurs Anthropologie der Fehlbarkeit über, in der insbesondere sein Werk L'homme faillible im Vordergrund steht. Hier erläutert die Abhandlung Ricœurs Versuch einer ‚transzendentalen Deduktion' des menschlichen Seins, die in seiner Theorie des Gemüts oder des Existenzgefühls im Sinne der affektiven Mitte des Menschen begründet ist. Die vorphilosophische Vorlage dieser Anthropologie bildet die rhetorische Darstellung der conditio humana in der ‚Pathetik', die auch den Ansatzpunkt für eine Theorie der Symbolik des Bösen enthält. Pathetik und Symbolik bezeichnen die Extreme einer philosophischen Anthropologie, die sich durch ihre Konzeption als Grenzdenken von einer eigentlichen Theologie und Ontologie absetzt.
Der vierte Hauptteil behandelt Ricœurs Theorie des Selbst in Soi-même comme un autre vor dem Hintergrund der Frage nach dem Sein als Möglichkeit und Wirklichkeit. Die Darstellung erläutert, wie sich die Hermeneutik des Selbst als eine hegelsche Verschiebung der herkömmlichen Subjektsphilosophie verstehen lässt, die jedoch Hegels Begriff des absoluten Wissens durch den Begriff der Bezeugung (attestation) ersetzt. Dieser Begriff wird profiliert in einer textnahen Lektüre von Ricœurs Auseinandersetzung mit Husserl, Heidegger und Lévinas, in der Körper, Gewissen und der Andere als konstituierende Passivitätserfahrungen ausgelegt werden, die als solche das Verständnis des Anderssein als ontologischen Begriff für das Selbst begründen.
Der fünfte Hauptteil beleuchtet die Attestationshermeneutik in zwei unterschiedlichen vorphilosophischen Bereichen: Psychoanalyse und Theologie. Hier wird Ricœurs Theorie der Erinnerung und sein Begriff des Gewissens in gerechtigkeitstheoretischer Perspektive erörtert, die eine gewisse Distanz zu realphilosophischen Bereichen wie z.B. Psychoanalyse und Theologie wahrt und so als generelle Charakteristik von Ricœurs Philosophie skizziert wird. Die philosophische Perspektivierung der Bezeugung bildet den Übergang zum sechsten und letzten Hauptteil, der Ricœurs Religionsphilosophie behandelt als Frage nach dem Absoluten nicht nur im Sinne unbestimmter Transzendenz, sondern auch als geschichtliches Ereignis. Dieses Problemfeld wird ausgearbeitet im Rahmen von Ricœurs Überlegungen zum biblischen Gedanken der Offenbarung als radikales, die Autonomie der Reflexion in Frage stellendes Anderssein. Die Darstellung nimmt hier ihren Ausgangspunkt in Ricœurs Reformulierungen von religionsphilosophischen Motiven z.B. Kants, Hegels und Naberts, die Ricœur in seiner Bibelhermeneutik aufgreift und transformiert. Hier spielen die mythischen und poetischen Aspekte der religiösen Sprache eine entscheidende Rolle, die im Lichte des Offenbarungsbegriffes als existenzpoetische Daseinsauslegung bzw. theologische Proklamation erörtert wird. Die Abhandlung betont an dieser Stelle theologische Motive wie Dreieinigkeit und Christologie namentlich in Hegels Religionsphilosophie und beschreibt so den Gesamtzusammenhang von Offenbarung, Religion und Reflexion als Grenzbereich einer hermeneutischen Theorie der Selbstaneignung.
Originalsprog | Dansk |
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Udgivelsessted | Københavns Universitet |
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Forlag | Det Teologiske Fakultet |
Antal sider | 635 |
ISBN (Trykt) | 9788791838217 |
Status | Udgivet - 2009 |
Navn | Publikationer fra Det Teologiske Fakultet |
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Nummer | 11 |